Belgische Schokolade genießt weltweit einen exzellenten Ruf, sie ist der Inbegriff für hochwertigen und authentischen Genuss. Godiva, Leonidas, Neuhaus, Côte d’Or - Belgien verfügt über eine Vielzahl an herausragenden Schokoladenmarken und beheimatet einige der größten Schokoladenhersteller der Welt. Der Brüsseler Flughafen ist der Ort, an dem weltweit die meiste Schokolade verkauft wird. Doch warum wird belgische Schokolade so verehrt und wie wurde Belgien zu einem der wenigen Länder, die über eine solch lange Tradition in der Schokoladenherstellung verfügen? Und warum kommen Menschen aus allen Ecken der Welt nach Belgien, um die berühmte Schokolade und Pralinen selbst zu probieren? Was macht sie so einzigartig?
Lange Tradition
Belgiens Verbindung mit Schokolade reicht bis in das Jahr 1635 zurück, als das Land unter spanischer Herrschaft stand und nur kurz nachdem Spanien die Schokolade aus Südamerika mit nach Europa brachte. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts wurde (heiße) Schokolade in der Mittel- und Oberklasse sehr populär. Schokolade als solche wurde in dieser Zeit hauptsächlich als Medizin verwendet. Deswegen ist es keine Überraschung, dass die belgische Praline vom Apotheker Jean Neuhaus erfunden wurde, der seine Medizin mit einer feinen Schokoladenschicht überzog. Erst 1912 ersetzte der Enkel von Jean Neuhaus die Medizin durch leckere Füllungen und entwickelte das noch heute praktizierte Hohlformverfahren. Hierbei werden Metallförmchen mit flüssiger Schokolade ausgegossen, befüllt und mit einem Schokoladenplättchen verschlossen. Nach dem Erkalten werden die fertigen Pralinen aus den Formen gestürzt. Die belgische Praline, so wie wir sie heute kennen, war geboren. Dessen Ehefrau Louise Neuhaus erfand 1915 die charakteristische Pralinenschachtel, Ballotin genannt. Übrigens ist die Grundvoraussetzung für die Bezeichnung Praline ein Schokoladenanteil von mindestens 25 %. Erreichen Pralinen den Anteil von 25 % Kuvertüre nicht, so spricht man rechtlich nur von Konfekt.
Ab dem frühen 20. Jahrhundert konnte Belgien große Mengen der Kakaobohnen aus seiner Kolonie Belgisch-Kongo importieren. Ab den 1960er Jahren exportierte Belgien mehr Schokolade als im Inland konsumiert wurde.
Quellenangaben:
- Aristokraten - Par Jean-Baptiste Charpentier le Vieux — Europeana, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8391163
- Gebäude & Ballotin Neuhaus: Chocolatier Neuhaus, Brüssel
Französische Aristokraten trinken heiße Schokolade, ca. 1768
Chocolatier Neuhaus Brüssel, 1912
Vintage Pralinenschachtel Ballotin von Louise Neuhaus, Design von 1915
Sorgfältige Auswahl der Kakaobohnen
Alles beginnt mit der richtigen Auswahl der Kakaobohnen. Traditionell verwenden belgische Hersteller ausschließlich hochwertige Kakaobohnen, die durch eine sorgfältige Auswahl der Herkunft und Ernte gewährleistet wird.
Feiner Mahlgrad
Die Kakobohnen werden besonders fein gemahlen (15-18 Mikrometer), was der belgischen Schokolade eine besonders feine Struktur verleiht. Zum Vergleich: der Mahlgrad englischer und amerikanischer Schokolade liegt bei 30 Mikrometer und mehr und in den meisten europäischen Ländern liegt er bei ca. 24 Mikrometern.
Hoher Kakaoanteil
Belgische Schokolade hat einen höheren Kakaoanteil als die meisten internationalen Produkte.
Reine Kakaobutter & belgisches „Schokoladenreinheitsgebot“
Belgische Schokolade enthält zu 100% Kakaobutter. Kakaobutter ist eines der reinsten Fette, sowohl die Fettstruktur betreffend als auch vom gesundheitlichen Standpunkt betrachtet.
Das belgische Reinheitsgebot ist seit 1894 gesetzlich verankert, um die Nutzung minderwertiger Fette aus anderen Quellen als Kakao zu verhindern. In anderen Ländern wird Billigschokolade gerne Fremdfett zugegeben, das nicht nur preisgünstiger, sondern auch ungesünder ist. Sogar Qualitätsschokolade darf gemäß einer EU-Direktive von 2003 bis zu 5% Fremdfette enthalten. Nur Belgien und die Niederlande votierten seinerzeit gegen die Kakao-Direktive, aber die Lobbyisten der multinationalen Konzerne wie Mars, Nestlé und Cadbury konnten sich erfolgreich durchsetzen. Dies ist bei belgischer Schokolade ausgeschlossen, weil die belgischen Hersteller sich 2007 auf einen gemeinsamen Schokoladen-Kodex einigen konnten.
Belgischer Schokoladen-Kodex
Gerade weil belgische Schokolade so einzigartig ist, wurde 2007 der belgische Schokoladen-Kodex eingeführt, der dafür sorgt, dass sich ausschließlich echte belgische Schokolade auch so nennen darf. Dieser Kodex wurde auf Initiative der belgischen Schokoladenindustrie (Choprabisco) ins Leben gerufen und hat keine rechtliche Verankerung. Belgische Hersteller, die diesen Kodex unterschreiben, verpflichten sich freiwillig gewisse Qualitätsstandards einzuhalten, die wesentlich höher liegen als die von der EU 2003 verabschiedete Schokoladendirektive. Zum Beispiel darf für Schokolade dieser Hersteller ausschließlich reine kakaobutter verwendet werden. Bislang haben 125 Hersteller diesen Kodex unterschrieben, die ca. 90% der gesamten belgischen Schokoladenproduktion repräsentieren.
Quellenangaben:
- Ghana - Von Francesco Veronesi (on Flickr) - This image at Flickr, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=47202938
- Walze - Von Volker Wendeler - Museumsfoto, Bild-PD-alt, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=5188882
- Kakaobutter - Wikipedia.de
Trocknende Kakaobohnen in Ghana
Fünf-Walzenwerk von Stollwerck, 1873
Reine Kakaobutter
Kreativität & Vielfalt
Neben bedeutenden Akteuren wie Callebaut und Belcolade, gibt es viele mittelständische Unternehmen und kleine Chocolatiers, die den Ruhm der belgischen Schokolade vermehren. Vor allem die kleineren Chocolatiers sind besonders kreativ und experimentieren mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und -kombinationen. Es gibt in Belgien ca. 500 Chocolatiers und 2.000 Schokoladenboutiquen, in denen man die kleinen Köstlichkeiten erwerben kann.
Quellenangaben:
- Pralinen - Von Volker Wendeler - Museumsfoto, Bild-PD-alt, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=5188882
- Pralinen 2 - Von Usien - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46663986
- Pralinen 3 - Marijn Coertjens, Gent